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Ziegen Enthornung

Das Institut für Tierhaltung und Tierschutz der Veterinärmedizinischen Universität Wien führte von Frühjahr 2007 bis Sommer 2010 im Auftrag des BMLFUW und Gesundheitsministeriums das Projekt "Haltung von behornten und unbehornten Milchziegen in Großgruppen" durch (Forschungsprojekt Nr. 100191). Es waren diverse Kooperationspartner in das Projekt eingebunden, u.a. Institut für Nutztierwissenschaften der Universität für Bodenkultur in Wien, Institut für ökologischen Landbau an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Trenthorst (Deutschland) und das Zentrum für tiergerechte Haltung: Schweine und Wiederkäuer an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (Schweiz). Das Projekt hatte zum Ziel, wissenschaftliche Daten zu sozialem Stress und Verletzungen bei Milchziegen, sowie den Zusammenhängen mit verschiedenen Haltungsfaktoren und der Behornung in großen Milchziegenherden zu liefern. Zudem sollten die Haltung von behornten und unbehornten Ziegen hinsichtlich  arbeitswirtschaftlicher Kriterien verglichen werden und schließlich Beratungs- und Entscheidungsgrundlagen bezüglich einer tiergerechten Haltung von behornten und hornlosen Milchziegen zur Verfügung gestellt werden.

Im Jahr 2007 wurden zunächst in umfangreichen Voruntersuchungen Methoden zur zuverlässigen Erhebung des Sozialverhaltens, der Mensch-Tier-Beziehung und physiologischer Stressparameter in großen Milchziegengruppen entwickelt und validiert. Daran schloss sich die Durchführung der drei Teilprojekte (TP 1-3) an.

In Teilprojekt 1 (Praxiserhebungen zu sozialem Stress und Verletzungen in großen Milchziegenherden) wurde auf 45 Milchziegenbetrieben die Situation hinsichtlich sozialem Stress und dem Auftreten von Verletzungen erhoben. Auf den Betrieben fanden umfangreiche Beobachtungen des Sozialverhaltens statt; außerdem wurden insgesamt über 6000 Ziegen auf Verletzungen am Euter untersucht, sowie bei knapp 2200 Tieren die Verletzungen am gesamten Körper, der allgemeine Gesundheitszustand und die Körperkondition beurteilt und Kotproben für die Analyse auf Kortisolmetaboliten im Kot gesammelt. Als mögliche Einflussfaktoren auf sozialen Stress und Verletzungen wurden Stallbau (Dimensionen, Zustand und Design des Stalles und der Einrichtungen), Management (z.B. Herdenmanagement wie Eingliederung von Jungziegen, Fütterungsmanagement etc.) und Mensch-Tier-Beziehung umfassend erhoben. Die Daten wurden auf Unterschiede zwischen Betrieben mit behornten und unbehornten Beständen untersucht, sowie mit Hilfe von Regressionsmodellen Risiko- und Erfolgsfaktoren identifiziert.

In Teilprojekt 2 (Experimentelle Untersuchungen zur Überprüfung von Strategien zur tiergerechten Haltung von Milchziegen) wurden wichtige Einflussfaktoren hinsichtlich der Effekte auf soziale Auseinandersetzungen, sozialen Stress und Verletzungen in insgesamt 5 verschiedenen experimentellen Studien evaluiert. Diese Faktoren waren (a) 4 verschiedene Fressgittertypen, (b) Sichtblenden am Fressgitter, (c) Eingliederungszeitpunkte von Jungziegen, (d) Umgruppierung von Altziegen und (e) Behornung.

In Teilprojekt 3 (Vergleichende arbeitswirtschaftliche und ökonomische Bewertung der Haltung behornter und unbehornter Milchziegen) erfolgte ein Vergleich der Haltung behornter Ziegen mit der Haltung unbehornter Bestände an Hand von Fragebogenerhebungen auf den Praxisbetrieben von TP 1 sowie mittels detaillierter Arbeitszeiterhebungen auf ausgewählten Betrieben und im Rahmen der Untersuchung zu Sichtblenden in TP2. Eine umfassende ökonomische Bewertung war aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit entsprechender Daten nicht möglich.

Die wichtigsten Ergebnisse:

Teilprojekt 1:

  1. Von den 45 besuchten Betrieben hielten 15 Betriebe (33%) rein unbehornte Herden (kein einziges behorntes Tier). Bei den restlichen Betrieben handelte es sich um gemischte Bestände, wobei der Anteil behornter Tiere zwischen 1,4 und 78 % lag (Median: 48%). Auf den 15 unbehornten Betrieben lag der Anteil an Stummelhörnern zwischen 1,9 und 43% (Median: 15%).
  2. Die Variation zwischen den Betrieben war sowohl hinsichtlich der tierbezogenen Parameter (Sozialverhalten, Verletzungen etc.) als auch bezüglich der Einflussfaktoren aus Stallbau und Management sehr groß.
  3. Es gab sowohl behornte als auch unbehornte Problembestände und behornte wie unbehornte erfolgreiche Betriebe mit entsprechend geringem Auftreten von Verletzungen, Aggressionen oder Gesundheitsproblemen.
  4. Das Risiko von Euterverletzungen war höher auf behornten Beständen, stand jedoch nicht mit dem Anteil behornter Tiere in Zusammenhang. Es handelte sich dabei vor allem um oberflächliche Verletzungen, während tiefe Veränderungen nur auf einzelnen Betrieben und in geringem Umfang vorlagen. Das unterdurchschnittliche Auftreten von Euterverletzungen in einem Teil der behornten Betriebe weist aber darauf hin, dass die Risiken auch bei Behornung beherrschbar sind.
  5. Die Ursachen der Probleme liegen vor allem im Management der Betriebe und der dahinterliegenden Einstellung der Betriebsleiter, sowie in stallbaulichen Gegebenheiten. Erfolgsfaktoren zur Vermeidung von Verletzungen waren insbesondere:
    • Konstanz in der Betreuung der Ziegen (weniger Melker und wenig Wechsel im Personal)
    • Problembewusstsein für Erfordernisse der Ziegen und entsprechend angepasstes Management, insbesondere in Bezug auf Sozialverhalten und Fütterung (hohe Herdenstabilität durch eigene Bestandsergänzung, keine Umgruppierungen während des Jahres bzw. häufige Gaben von Grundfutter guter Qualität; geringere Kraftfuttergaben)
    • ein Stall mit entsprechender Ausstattung (ausreichend Tränken, Fressgittertyp Palisade, breite Durchgänge)

Kleinere Gruppengrößen erscheinen ungünstig.

Teilprojekt 2:                      

  1. Von den 4 Fressgittertypen Palisade Metall, Palisade Holz, Nackenriegel und Diagonalgitter sind die beiden Palisaden-Fressgitter sowohl für hornlose wie behornte Tiere zu empfehlen. Das Diagonalgitter führt zu Problemen der Ziegen beim Verlassen des Fressgitters, ist mit chronischem Stress verbunden und daher zu vermeiden. Auch ein Nackenriegel führt zu negativen Effekten.
  2. Sichtblenden am Fressgitter wirken sich positiv aus.
  3. Eine Eingliederung von Jungziegen nach dem Abkitzen, mit den Kitzen in der Herde mitlaufend, löst deutlich geringere Stressreaktionen aus als eine Eingliederung während der Trockenstehphase und ist damit empfehlenswert.
  4. Umgruppierungen von Altziegen führen zu deutlichen, mittelfristigen Stressreaktionen und sind auf ein Minimum zu reduzieren.
  5. Bei dem Vergleich von Gruppen von rein hornlosen Ziegen mit rein behornten Gruppen, die unter gleichen Bedingungen gehalten wurden, konnten keine Unterschiede in den physiologischen Stressparametern (Kortisol in der Milch, Kortisolmetaboliten im Kot, Herzfrequenzvariabilität) gefunden werden. Hornlose Gruppen zeigten auf allen Betrieben tendenziell mehr Aggressionen mit und ohne Körperkontakt als behornte Gruppen. Es war ein deutlicher Betriebseffekt gegeben.

Teilprojekt 3:

  1. Es ergaben sich keine Hinweise auf signifikante arbeitswirtschaftliche Auswirkungen der Behornung.
  2. Andere stallbauliche und managementbedingte Aspekte (wie zum Beispiel zurückzulegende Wegstrecken, Art der Fixiereinrichtungen) haben vermutlich größeren Einfluss.
  3. Es bestehen sehr große betriebsindividuelle Unterschiede und personenbezogene Einflüsse.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der experimentellen Studien wie auch der Betriebserhebungen, dass eine tiergerechte Haltung behornter wie hornloser Ziegen möglich ist. Das Risiko von Verletzungen und sozialem Stress kann durch angepassten Stallbau, Management und Betreuung sowohl in behornten wie in hornlosen Beständen minimiert werden. Arbeitswirtschaftliche Nachteile durch die Haltung behornter Bestände waren nicht festzustellen.

Broschüre: Haltung von Ziegen im Laufstall
Endbericht: Haltung von behornten und unbehornten Milchziegen in Großgruppen 

(2010)